Liebes Archiv … Einträge vom September 2007

Der Berg ruft - zweisprachig.


Nun geht alles durcheinander! Gerade freunde ich mich mit dem Italienischen an, da kommt Französisch noch dazwischen. Kaum fünfzig Kilometer westlich von Vercelli beginnt das Aosta-Tal, das erst 1861 Italien zugesprochen wurde und vorher lange zum französischen Savoyen gehörte. Die Bewohner wehrten sich so standhaft gegen Italien, daß die Region ein Autonomiestatut erhielt und nun beide Sprachen gesprochen werden. Nach meinem Gefühl überwiegt das Französische deutlich.
So spricht uns der Kellner im Restaurant in Aosta, der ersten Station am Samstag, also in? Französisch! an, richtig. Pas de Problem! Nur das gewöhnliche Zweigängemenu mit Pasta und Fleisch bereitet mir Anpassungsschwierigkeiten, ohne Espresso Macchiato Caldo am Ende würde kein Dolce (Nachtisch) mehr reinpassen.
Aosta jedenfalls war schon im Mittelalter römischer Militärstützpunkt, daran erinnert die Innenstadt, die von der antiken Stadtmauer umgeben ist, darin das Römische Theater und die Porta Praetoria, das Osttor. Und vor der Kathedrale werden gerade die Mauern eines römischen Palastes ausgegraben. Uns zieht es weiter gen Westen, zu den weißen Bergen, einer heißt sogar so, er hat zwei Spitzen und dazwischen verläuft eine Staatsgrenze.
Wir springen in die Gondel und nach dreimaligem Umsteigen schauen wir von der verschneiten Station Pont Helbronner bei dreitausendvierhundertneunundfünfzig Metern auf die verschneiten Spitzen namens Monte Bianco und Mont Blanc, je nach Lesart die höchsten Berge Europas. Die Hände frieren schnell, auf Winter sind wir nicht vorbereitet. In der hohen Bar gibt es einen Aufwärmer und mit der letzten Bahn fahren wir zurück ins Tal.
Hier in Courmayeur, wo das Tal endet und der Tunnel sich in Richtung Frankreich windet, mieten wir uns in die noble Auberge de la Maison ein und beenden den Tag standesgemäß.
Am Morgen danach geht die Sonne nicht mehr auf, die Schneefallgrenze ist dramatisch gefallen und die Wolken hängen tief. Die Schlösser-Route steht auf dem Programm, das heißt, zurück durch das Tal und jeden bebauten Felsen auf Besichtigungsmöglichkeit prüfen. Es sollen einhundertdreißig Schlösser oder deren Reste hier herumstehen, das bedeutet Arbeit. Wir halten an den Schlössern Saint-Pierre (geschlossen), Sarrod de la Tour (umgeben von Apfelplantagen), Sarre (mit weingedeckten Wandelgängen) und nehmen ein gepflegtes Mittagessen im Caffé National in Aosta. Endlich kommt die Sonne raus. Weiter geht es zum Schloß derer von Quart (sehr baufällig), auf dem Weg zum Schloß Fénis (sehr schön aber zu gut besucht) schauen wir kurz zu den Geißkämpfen, die Tiere wirken aber ziemlich lustlos und gehen wohl nur ihren stolzen Besitzern zuliebe aufeinander los.
Wir verlassen das Tal und fahren erschöpft zurück nach Vercelli. Es gibt noch viel zu sehen!

[] Aosta-Tal/Mont Blanc / Sonntach, 30. September 2007

Es gibt Reis, Baby!


Heute mein erster Spaziergang. Gestern abend angekommen. Ich streife durch die Nachbarschaft meines Hotels am Rande der Reishauptstadt Vercelli, etwa mittig zwischen Mailand und Turin, golden wogen die Reisfelder allerorts, Erntezeit. Die zarte Wolkendecke hat die Sonne schon abgeschirmt, als ich mich nach dem Einkauf im nahen Lidl aufmache. Kraniche und Reiher ziehen über die Felder. Zwei alte Bauern sind bei der Ernte, einer im Mähdrescher, einer im Traktor mit dem roten Anhänger für die Körner. Die Dunkelheit bricht schnell herein.

[] Vercelli / Dienstach, 25. September 2007

Pralle Rundungen im Lustgarten.


Dicke Engel und Tiere stehen derzeit im Lustgarten, gebaut von einem gewissen Herrn Botero - diesem Botero. Angucken, solange die Sonne noch scheint. Ich bin dann mal weg.

[] Berlin / Samstach, 22. September 2007

Ein Sonntag in den Pilzen.


Der letzte sonnige Tag sollte es mal wieder werden - wie sich herausstellte war es der vorletzte - und die Zeit war reif zum Pilzesammeln, in die Pilze zu gehen, wie man so sagt. Eigentlich geht man ja garnicht hinein in die Pilze, dazu sind sie meist zu klein, man stößt wohl in eine Gruppe derselben, doch dazu später mehr.
Die Luft war unerwartet warm. Anfangs versteckten sich die kleinen Lümmel vor mir, doch als der Wald Vertrauen gefaßt hatte, kamen sie heraus, die Maronen, Birkenpilze und auch die, die man gewöhnlich nur einmal essen kann. Allein, die Geschmacksträger des schwerwiegenden Mahles, Steinpilz und Pfifferling blieben meinen Augen verborgen.
Hatte ich mich zu einem Pilz herabgelassen, um ihn zuerst mit der Kamera zu verwirren und dann herzlos abzuschneiden und in den klassischen Korb gleiten zu lassen, sprangen wie auf Knopfdruck die anderen Familienmitglieder aus dem nadelbedeckten Waldboden, stolz und aufrecht, als wollten sie sagen nimmst du ihn dann nimm auch mich, mit aufgewölbtem, angefressenem Kopf die einen, klein und rund und fest die anderen, um erhobenen Hauptes niedergesichelt zu werden. Etwas Erde auf ihr Grab schaufeln war das Wenigste was ich tun konnte. Die brummende Bremse, die vergeblich versuchte sich durch meine Jeans zu beißen, war wohl anderer Meinung. Ich stellte sie ruhig.
Die Körbe waren klein und trotz meiner ausgiebigen Fotografierwut schon bald mit den saftigsten Exemplaren der eßbaren Waldgewächse gefüllt. Zeit für eine Rast, Kaffeepause.
Zurück in der Küche wartete die unangenehmste Aufgabe des Ganzen, das Putzen. Hier fielen noch einige makellos scheinende Hütchenträger wegen unerlaubten Gehalts an tierischen Zusätzen durch die Endprüfung, trotz des beachtlichen Abfallberges blieb aber noch genug Pilzfleisch für ein leckeres Ragout. Sind Pilze eigentlich wegen ihrer möglichen Radioaktivität so schwer verdaulich? Heruntergespült mit einigen flüssigen Pilsen verlor die Frage schnell an Gewicht.

[] Berliner Umland / Sonntach, 16. September 2007

Weitergebildet.

rass. Sieben Jahre im Job und jetzt ist es passiert. Die erste Weiterbildung. Ein einwöchiger Projektmanagement-Kurs in Grefrath nahe Krefeld.
Montag: Ich bin schon am Sonntag angereist, also ausgeruht und hochkonzentriert. Einige kommen fett zu spät. Wir werden fünfzehn. Gemein ist uns allen wohl eine gewisse Skepsis bezüglich Sinn und Erfolg und Methoden, ausgeliefert den Psychofreaks, man hört und liest ja so einiges. Ein paar Leute kennen sich, das verbindet. Nervosität und Angst vor Peinlichkeiten auf der einen und Freude auf Prüfung und Profilierung auf der anderen Seite. Aber es geht ja um nix. Wir teilen uns in drei Gruppen auf. Sind erschlagen von Tempo und Umfang des Kurses. Fast alle kommen unvorbereitet und haben das zugesandte Material nicht gelesen. Verdammt viele Übungen im Stundenplan. Psychospielchen? Können wir so lange stillsitzen und zuhören? Wir werden gefragt was wir nicht erleben wollen: Langeweile und Grundsatzdiskussionen.
Dienstag: Der Stoff ist interessant, es wird angeregt diskutiert und nachgefragt. Manchmal vielleicht zu tiefschürfend? Die Gruppenaufgaben sind anspruchsvoll. Am zweiten Abend setzt schon Erschöpfung ob der ungewohnten Belastung ein.
Mittwoch: Müdigkeit schon vormittags, mein Kaffeekonsum steigt von Null ins Unermeßliche. Zum Glück ist die Mittagspause eineinhalb Stunden lang. Der erste Mittagsschlaf seit Jahrzehnten tut Wunder. Ablenkungen vom Zuhören sind willkommen, praxisbezogene Fragen aus den eigenen Erfahrungen verknüpfen die Theorie mit dem wahren Leben, führen manchmal zu weit ins Detail, Zwangs-Abschaltungen sind die Folge. Droht auch noch Zeitverzug? Der Kursleiter scheint genervt. Rollenspiele wecken uns auf und bringen ins Schwitzen. Der Abend wird kurz, (Ein)schlafstörungen aber nix gesoffen. Fantasiepersonen aus den Rollenspielen schwirren im Kopf herum und Situationen flammen auf.
Donnerstag: Wer kann so lange zuhören?! Jede Kaffeepause wird von uns ersehnt. Konzentrationsprobleme, Sinnsuche für die Woche, mühsames Zuhören, Rückzug ins Papiersortieren oder Tuscheln, Sehnsucht nach dem Ende, das greifbar wird und letzte Kräfte mobilisiert, einige drehen auf, penetrantes Sezieren von Praxissituationen erzeugt Unruhe, Überforderung vom rasch durchgezogenen neuen Stoff, den es sofort in den Übungen anzuwenden gilt. Der beschworene Gruppenegoismus dringt durch und zeigt, auf welcher Entwicklungsstufe wir inzwischen sind. Schlafen in der langen Mittagspause wird ein notwendiges Instrument. Neun Stunden sitzen, dicke Luft, temporärer Verlust der Ernsthaftigkeit bei den sonst so Ernsthaften - schwere Augen trotz Mittagsschlafes, Unwilligkeit gegen umfangreiche und sinnlos erscheinende Übungen, Motivationsübungen geben etwas Auftrieb, nervige Störungen durch Abschalter dringen durch.
Freitag: Halleluja! Das Ende ist nah! Zurückfahren der Leistung, entspanntes Stören, Gedanken schon beim Flug und zuhause, Abdriften, Erschöpfung kämpft gegen rosige Aussicht - Wochenende, Fragen werden weniger, die Zeit rennt, letztes Aufbäumen der Lernwilligen. Und dann ist es endlich vorbei. Herzlicher Abschied. Fünf Tage im Sporthotel gewohnt und kein einziges Angebot genutzt. Aber einiges mitgenommen.

[] Halle / für Freitach, 14. September 2007

Auf der Pirsch.


Dem geneigten Leser sollte inzwischen hinlänglich bekannt sein, wie sehr ich graue Wolken mag, wenn ich auf Motivjagd bin. Also machte ich den Feierabendspaziergang nahe des Hotels im Geflecht von Autobahnen und Bundesstraßen des Wetters wegen ohne Fotoausrüstung. Der ewige Zwang, die Manie, alles abzulichten, was nicht schnell genug vor mir wegrennt, fällt weg und ich kann zur Abwechslung einfach die Umgebung auf mich einwirken lassen, ohne den Finger schußbereit am Abzug der Digitalkanone zu haben - wäre da nicht diese neuzeitliche Erfindung des Foto-Mobiltelefons, der kleinen Not-Kamera in der Hosentasche. Und so geschah es, kaum hatte ich ein kleines, nichtiges, fast nicht vorhandenes Motiv erspäht und zum ersten Mal abgedrückt, ging es schon wieder los, ich konnte sie nicht mehr in die Hosentasche zurückgleiten lassen, auch wenn ich um die sehr bescheidene Fotoqualität weiß. Wenn dann auch noch plötzlich und unerwartet die Sonne unter der Wolkendecke hervorlugt, sich vor dem Untergehen nochmal in das schmale blaue Band schiebt, bevor sie sich gelbrot schimmernd verabschiedet, dann bedauere ich es wieder, die falsche Kamera dabeizuhaben. Manche Augenblicke kommen eben nie wieder. Beim nächsten Spaziergang und düsterem Himmel wird das Hin und Her mich kostbare Stunden kosten, ich werde die Entscheidung für oder gegen die Knipse solange hinauszögern, bis die Wolkendecke aufbricht und strahlend die liebe Sonne lacht. Dann schnalle ich die klobige blaue Tasche um und los geht die Pirsch, Entspannung adé.

[] Halle / Freitach, 07. September 2007

Mein MAC und ich.

Da muß ich mich wohl auch zum alten Eisen zählen. Die alten Knacker wollen nen Affen machen, leisten sich neumodischen Plunder, um sich jung zu fühlen und sind zu doof ihn zu bedienen. So ein Gefühl hab ich jetzt bei meiner matt-glänzenden Neuerwerbung. Alles ist anders, vielleicht nicht neu, aber neu für mich. Es hat mich schon ein paar Jahre gekostet, Windows ein paar Geheimnisse zu entlocken, und jetzt das, OS X. Keine Tastenkombination ist dieselbe (aber alles frei konfigurierbar), neue Programme mit ungewohnter Bedienung, alles so hakelig. Es zehrt an den Nerven. Aber wenn er schläft, sieht er ganz friedlich aus.

[] Halle / Freitach, 07. September 2007

In der Bergschenke.


Von Trotha auf der B6 kommend biegt man vor dem Zoo rechts nach Eisleben ab, passiert die Burg Giebichenstein und nach Überquerung der Saale liegt links die Bergschenke. Vom großen Biergarten und der Terasse des Restaurants hat man einen feinen Blick zurück auf die Burg, jetzt wird es draußen allerdings etwas frisch und die Bedienung mit dem Schnupfen verweist auf die Plätze im Haus. Essen war lecker!

[] Halle / Donnerstach, 06. September 2007

Verkorkster Sommer.


Wer hat nicht die Wiederholung des WM-Sommers erwartet? Wer war nicht genervt vom Scheißwetter? Ich war's. Fast zwei Monate lang. In den wenigen lichten Augenblicken gab ich dem Drahtesel die Sporen, immer ein Auge auf den bedrohlich-dunklen Himmel gerichtet und baß erstaunt wenn die Sonne sich durch die dicken Wolken schob.
Bei meiner Standardtour schiene ich mich in Höhe des Innenministeriums in den nördlichen Spreeuferweg ein, fahre vorbei am Schloß Bellevue, die Goldelse winkt von fern, passiere die Abgeordnetenwohnschlange, die Schwangere Auster und schaue bei Kanzlers hinten in den Garten, immer umweht mich der Dieselruß der mittlerweile wahrscheinlich in die tausend gehenden Ausflugsschiffe, die Hälfte davon schrottreif, ich drängele mich am Hauptbahnhof durch die Massen, die der grünen Brücke entgegenstreben, werfe einen kurzen Blick auf die bisher unkaputtbaren Sandskulpturen und durchbreche dann den Regierungsbetongürtel, um der Friedrichstraße zuzustreben, hier erst wechsle ich zum anderen Ufer, komme zum Bodemuseum, Pergamonmuseum und habe kaum das Zeughaus rechts liegen lassen, um schon einen der vielen letzten Blicke auf das Skelett des asbest-isolierten Stolzes der DDR zu heften. Vorbei an Marstall und Nikolaiviertel komme ich ans Rote Rathaus und den Neptunbrunnen mit der Marienkirche dahinter, zum Alexanderplatz ist es jetzt nicht mehr weit. Anschlagen und zurück, einmal sogar auf auf einem Ausflugsschiff, war schön. Richtig naßgeworden bin ich nie.

[] Halle / Mittwoch, 05. September 2007

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.